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das individuum

Tuesday, August 29th, 2017

Rule of Thumb – the Instagrammability of things:

Aspiring artists should judge their work by one criterion and one criterion only: Do people want to take selfies in front of this thing? If the answer is no, then it’s back to the drawing board, friend. You’d do well to make something immersive, something participatory, something that’s such an experience that it acts as a magnet on the surrounding population, much as a Six Flags or a new Shake Shack might. To make anything quieter or less immediately spectacular is to risk irrelevance.

sounds like i’m doomed to be a failure with my obsession for the un-instagrammable!
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Wie kam es eigentlich zu diesem grossen Missverständnis? Wann entstand die aberwitzige Idee des Individuums, ein Individuum zu sein? Mit allen dazugehörigen absurden Individuumsansprüchen. Glücklich sein zu wollen, nur mal als eines genannt? Wann begann dieses Ahnen des Einzelnen, mehr zu sein als andere? War in der Steinzeit alles noch in Ordnung, oder ging es da schon los? Der Rudelälteste, die Urform des neuzeitlichen Egowahns? Keine Ahnung, das wissen Soziologen bestimmt besser. Die meisten wissen alles besser. Auch so eine Unsitte. Eine eigene Meinung haben. Fing das in den 60ern an? Zusammen mit dem Therapiewahn? Ich muss meine Bedürfnisse erkennen, formulieren, und es verletzt mich total, wenn du much ignorierst? Aufmerksamkeit will jeder für seine ungemein interessante Persönlichkeit. Seien Sie ehrlich – denken Sie, einzigartig zu sein? Mehr zu wissen als die meisten anderen? Besser auszusehen, ein spannenderes Leben zu haben/verdient zu haben? Un jedem steckt ein ungesunder Grössenwahn. Vielleicht kann man den mit Evolution erklären und damit, dass der Mensch leider dieses Gehirn hat, mit drei Windungen mehr, und es nicht ertragen kann zu erkennen, dass er sich in seiner Zusammensetzung, seinem Intellekt, seinem Äusseren und seinen mittelmässigen Ideen nicht ein Prozent von Millionen anderer Leute unterscheidet. Wär ihm das klar, DEM INDIVIDUUM, dann stürzte es in eine Krise. Aber wie der Grössenwahn das so mit sich bringt, eine richtig gesunde Sache ist es halt nicht, oder wie wäre es sonst zu erklären, dass trotz der vermeintlichen eigenen Überlegenheit Millionen widerspruchslos einzelne Kameraden als unbedingt überlegen akzeptieren? Ein paar alte Männer verkleiden sich mit roten Umhängen, und Millionen jubeln ihnen auf dem Petersplatz zu. 600 Bedienstete arbeiten für die Royal Family, sie warten bei unbeabsichtigten Begegnungen, bis sie von der Queen angesprochen werden, senken das Haupt, fallen in einen Hofknicks, weil das Tradition is und das ja so einen Halt gibt? Millionen weinen, wenn Lady Di, eine durchschnittlich aussehende Dame mit durchschnittlicher Intelligenz und unterdurchschnittlichen Leistungen zur Steigerung des Gemeinwohls verendet. Als wüssten wir um unsere Nichtigkeit, sind wir bereit, Macht- und Wissensdarsteller unhinterfragt zu akzeptieren. Als lauerte das Wissen um unsere Belanglosigkeit tief unten, versteckt unter einem Laubhaufen aufgehäufter Überheblichkeit. Die zunehmende Einsamkeit des Menschen der Jetztzeit beruht zu grossem Masse in der individuellen Überschätzung des eigenen Marktwertes. Des Sozialstatus und des Aussehens. Die vermeintliche Überlegenheit, geboren aus übermässigem Medienkonsum, Therapiesitzungen und dem Umstand, dass es scheinbar nicht mehr viel bedarf, um zu einem Star zu werden, führt zu einer Stagnation der eigenen Entwicklung. Dummheit ist die Akzeptanz des Status quo, das vermeintliche Wissen um die eigene Perfektion. Das hilft niemandem. Der Gemeinschaft nicht, dem Einzelnen schon gar nicht. Er wird aufwachen, der Grössenwahnsinnige, in einer mässig attraktiven Wohnung, mit einem mässig interessanten Beruf und einem uninteressanten Leben, erwachen, alt sein und sich betrogen fühlend sterben. Und dieser Punkt kommt immer. Egal of Genie oder eingebildete Ausnahmeerscheinung, die meisten von uns werden nur noch 20 bis 30 Sommer erleben. Wow, ist das knapp, und das Leben hat nicht gehalten, was die meisten sich vom ihm versprochen haben. Was für eine Ungerechtigkeit. Der Mensch is mehr, als er zu wissen glaubt, könnte jedoch meinen: Der Mensch is ein austauschbares Teil einer grossen Masse. Der ausserordentlich dilettantische Wahrspruch der 70er Jahre: Kein Mensch is wie der andere, ein fataler Irrtum. Es ist eher ernüchternd zu sehen, wie wir alle einander gleichen, in unseren kleinen Träumen und Sehnsüchten, in unseren Ideen und dem Aussehen, wenn wir das akzeptierten, uns als Teilchen eines grossen Ganzen begriffen, mit einer sehr begrenzten Haltbarkeitsdauer, könnten wir erleichtert aufatmen, dankbar sein, irgendeinen Menschen zum Teilen der Nichtigkeit zu finden, ein Dach, eine Decke, ein Buch, wir könnten us gestatten, uns nicht zu wichtig zu nehmen, und die Welt wäre ein erfreulicherer Ort.

from Die Fahrt, Sibylle Berg. KiWi Verlag.